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Die Debatte ums Impfen – Was davon zu halten ist

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Immer mehr Menschen kehren Impfungen den Rücken zu. Aber was ist von der ganzen Debatte ums Impfen eigentlich wirklich zu halten? fotolia.de © miss_mafalda (#93789300)

Impfungen, bei denen in der Regel gesunden Menschen ein Impfstoff verabreicht wird, dienen dazu, vor (übertragbaren) Krankheiten zu schützen. Das Immunsystem soll durch den Impfstoff gegen bestimmte Stoffe aktiviert werden – Impfungen sind also vorbeugende Maßnahmen gegen Infektionskrankheiten. Können hohe Durchimpfungsraten erreicht werden, kann es auch möglich sein, einzelne Krankheitserreger regional zu eliminieren und schließlich sogar weltweit auszurotten. Für die Kinderlähmung (Poliomyelitis) konnte dieses Ziel in Europa im Juni 2002 bereits erreicht werden. Trotz allem sehen viele Menschen das Impfen extrem kritisch. Die wachsende Zahl der Impfgegner hat eine regelrechte Debatte ums Impfen ausgelöst. Aber was ist von der ganzen Sache eigentlich zu halten?

Warum und wie Impfgegner das Impfen kritisieren

 

Impfgegner sind der Meinung, dass es durchaus wichtig ist, den Sinn von Impfungen grundsätzlich anzuzweifeln und das Impfen nicht einfach nach dem Motto "Das gehört eben dazu" hinzunehmen. Impfgegner stellen dabei meist die folgenden Punkte infrage:

  • die Notwendigkeit von Impfungen
  • die Wirksamkeit der Impfungen
  • die Sicherheit der Impfungen
  • die Beobachtung, dass Infektionskrankheiten nach der Einführung von Impfungen zurückgehen/ zurückgegangen sind.

Nicht alle Eltern gehen mit ihren Kindern so gerne zum Impfen, wie diese Mutter. Die Impfungen, so viele Impfgegner, seien selbst gefährlicher, als das Risiko für eine Erkrankung. fotolia.de © Viacheslav Iakobchuk (#145749063)

Ihre Argumente sind bei der Debatte vielfältig und beziehen sich vor allem darauf, dass die Erkrankungsrisiken zum einen nicht so hoch sind, wie die Behörden in der Regel lautstark verkünden und zum anderen auf den Mangel an Informationen über alternative Vorsorgemöglichkeiten. Außerdem könnten durch zahlreiche Impfungen übermäßige Belastungen entstehen und es könne zu Nebenwirkungen kommen.

Vor allem bei Kindern, deren Immunsystem noch schwächer ausgeprägt ist, geraten die verschiedenen Impfungen immer wieder in die Kritik. Zu den seit langem empfohlenen Schutzimpfungen wie Tetanus, Mumps oder Kinderlähmung sind in den letzten Jahren einige weitere dazugekommen. Eltern sollten vor einer Immunisierung stets den Nutzen und die Risiken individuell abwägen. Denn neben den typischen Impf-Nebenwirkungen besteht auch die Möglichkeit einer Allergie gegen den Impfstoff, was allergische Reaktionen in unterschiedlicher Ausprägung nach sich ziehen kann.

Sobald sich hier die typischen Symptome bei Kindern bemerkbar machen, sollte möglichst früh eine entsprechende Diagnose und Behandlung erfolgen. In manchen Impfstoffen wird beispielsweise Hühnereiweiß als Nährmedium verwendet. Ist darauf eine Allergie bekannt, kann die Immunisierung mit Risiken verbunden sein. Gegebenenfalls kann zusätzlich ein Allergologe zu Rate gezogen werden.  

Die 20 häufigsten Einwände gegen das Impfen und die Stellungnahme des Robert Koch-Instituts (die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und –prävention) und des Paul-Ehrlich-Instituts (das deutsche Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel) zu ihnen, lassen sich im Netz genau nachlesen.

Deutlich wird dabei schnell: Impfgegner sprechen wichtige Punkte an, über die die allgemeine Bevölkerung vielleicht tatsächlich zu wenig aufgeklärt ist. Sie argumentieren dabei allerdings oft ohne faktische Grundlage (dazu an späterer Stelle mehr) und vergessen häufig einige wichtige Aspekte rund um das Impfen, wie etwa die Solidaritätskomponente.

Die Solidaritätskomponente

 

Wir haben es bereits in einem älteren Artikel betont: Impfen schützt nicht nur den Geimpften selbst, sondern auch seine Mitmenschen. Impfgegner allerdings beziehen sich mit ihrer Kritik in der Regel lediglich auf die individuelle Vorsorge und betonen, dass gerade die ehemals gefürchteten Kinderkrankheiten heute ja im Grunde nur noch abstrakte Gefahren seien. Die vielen Spritzen, Termine beim Kinderarzt und eventuellen Nebenwirkungen, denen vor allem eben Kinder sich im Rahmen zahlreicher Impfungen ausgesetzt sehen, seien aber real.

Vergessen wird dabei aber, dass selbst Impfungen, wie die Rötelnimpfung bei Jungen, für welche diese Erkrankung harmlos ist, empfohlen wird. Und das aus einem ganz bestimmten Grund: Sobald der Anteil der Geimpften in der Bevölkerung unter 85% fällt (dieser Wert gilt als "Herdenimmunität), kann sich der Virus schneller ausbreiten, da er genügend Menschen infizieren kann. Diese "Solidaritätskomponente" die sich hier beobachten lässt, trifft auch auf andere Impfungen zu, wie auf den Keuchhusten. Vor allem für junge Säuglinge kann diese Erkrankung wirklich gefährlich werden. Da die Impfung erst nach der zweiten Impfung ab dem vierten Lebensmonat schützt, ist es umso besser, bzw. wichtiger, dass auch die Familie, die in Kontakt mit dem Säugling kommt, geimpft ist, um diesen nicht anstecken zu können.

Impfgegner haben die Aufgabe, sich mit der Solidaritätskomponente auseinanderzusetzen und sich zu fragen, wie es sich rechtfertigen ließe, wenn in Kinder- oder Schülergruppen mit einem hohen Anteil an Kindern von Impfgegnern Epidemien wie beispielsweise die Masern ausbrechen würden. Kinderärzte warnen vor den Folgen der Masern, die gefährliche Hirnentzündungen verursachen können. Darüber hinaus sind sowohl Krankheitserreger als auch ihre Träger sehr mobil: Zwar sind viele Infektionskrankheiten in den Industrieländern fast ausgelöscht, die Erreger allerdings sind in der Lage, durch Reisende in andere Länder mitgeschleppt zu werden. Die Erkrankung kann sich infolge eines solchen Erregerimports in einer ungeimpften Bevölkerung rasch verbreiten.

Wissenschaft gegen Fachfremde

 

Die Wissenschaft hat das wohl überzeugendste Argument gegen die meist fachfremden Impfgegner in der Hand: Sie kann sich auf Tests, Studien, Experimente und Statistiken beruhen, wohingegen Impfgegner oft einfach nur Behauptungen in den Raum stellen, aber keine Beweise haben. Ihre Einwände und Anfeindungen gegenüber dem Impfen entbehren in der Regel jeglicher faktischen Grundlage. Allerdings muss man ihre Position irgendwo auch zu verstehen versuchen. Schließlich richtet sich ihre Wut und Verzweiflung nicht aus reinem Spaß gegen die Schulmedizin und die Norm.

Aus Impfgegnern spricht meistens eine Überforderung, die fast jeder Mensch kennt: Wie funktioniert eigentlich eine Maschine, ohne, dass die Technik den Benutzer gefährdet? Wie kann man ein Gebäude bauen, damit die Chance, dass es einstürzt, möglich gering ist? Diese und ähnliche Dinge wissen in der Regel nur Spezialisten und Experten. Der Durchschnittsbürger vertraut deren Expertise ganz einfach – solange jedenfalls, wie er Computer benutzen und sich in Gebäuden aufhalten möchte. Dennoch gibt es auch hier immer wieder "Technophobe" oder Menschen, die sich beispielsweise von Hochhäusern fernhalten. Andere wiederum fliegen nicht gerne, verzichten auf dies oder jenes, um sich sicherer zu fühlen. Fast jeder ist mit irgendetwas überfordert und stellt Mechanismen infrage. Das ist menschlich und für den gesunden Verstand wohl auch ganz normal.

Kommen Wissenschaftler nach ausgiebiger Forschung zu dem Ergebnis, dass Impfungen gegen eine bestimmte Krankheit wichtig sind, werden diese Impfungen irgendwann empfohlen; vorher allerdings nicht. fotolia.de © Henrik Dolle (#209552782)

Allerdings sind Spezialisten in unserer heutigen komplexen Welt unter anderem genau deshalb wichtig: Um für Sicherheit zu sorgen. Individuell kann sich nicht jeder Mensch selbst um alles kümmern. Wir müssen uns gegenseitig vertrauen, wenn wir den Alltag halbwegs unkompliziert bewältigen möchten. Und hier kommt nun eben auch das Thema Impfen ins Spiel. Die wenigsten Menschen lassen sich wohl freiwillig gerne spritzen. Und es macht wohl auch kaum jemandem Spaß, andere dazu zu nötigen, sich spritzen zu lassen. Da aber zahlreiche Expertinnen und Experten seit vielen Jahren forschen und immer wieder zum dem Ergebnis kommen, dass es bestimmte Impfungen gegen bestimmte Erreger braucht, sind die Spritzen nun einmal wichtig für die Gesundheit der Bevölkerung. Um ein Grundvertrauen in die WissenschaftlerInnen, dass nur die Impfungen, die sinnvoll, das heißt wirksam und sicher sowie wirklich notwendig sind, empfohlen werden, führt kein Weg drum herum.

Natürlich ist auch die Wissenschaft nicht frei von Fehlern. Und es ist in Ordnung, dass Menschen den Wissenschaftsbetrieb, seinen Mechanismen und Methoden kritisieren. Das kann zu fruchtbaren Diskussionen führen. Allerdings sollten ihre Erkenntnisse und Ergebnisse als Annäherung an die Wirklichkeit anerkannt und bestenfalls respektiert werden, statt sie ganz einfach ohne gute Argumente und Beweise abzutun.

Die EU und vermeintliche "Falschinformationen" seitens der Impfgegner

 

Auch die Politik mischt sich inzwischen in die Debatte ums Impfen ein. Nicht nur wird hierbei kritisiert, dass die Impfgegner keine Beweise für ihre Argumente haben, es wird sogar explizit betont, dass es gefährlich ist, den "Falschinformationen" der Impfgegner Gehör zu schenken.

So haben die EU-Staaten Ende 2018 beschlossen, mit wiederum mehr eigenen Informationen gegen diese vermeintlichen Falschinformationen von Impfgegnern vorzugehen. Die Vorsitzende des Treffens, Österreichs Sozialministerin Beate Hartinger-Klein, sagte, dass seit einem Jahr in Europa wieder ein Masern-Ausbruch extremer Art zu verzeichnen sei. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts waren es 2016 nur 325 Fälle von Masern, die in Deutschland gemeldet wurden, im Jahr darauf waren es schon 929. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2018 registrierte das Institut bereits 387 Fälle. In der gesamten Europäischen Union infizierten sich EU-Angaben zufolge 2017 rund 14.000 Menschen mit Masern. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einer Steigerung um ganze 300 Prozent. Außerdem sind in den vergangenen beiden Jahren 57 Menschen an den Masern gestorben. Hartinger-Klein betonte: „Hier gilt es wirklich, Aufklärung und Informationen zu betreiben.“

Auch, wenn die Bereitschaft, sich zu impfen, unter den Deutschen insgesamt recht hoch sei, so die deutsche Botschafterin Susanne Szech-Koundouros, seien immer noch viele Impflücken vorhanden. Schuld an diesen Impflücken seien viele Falschinformationen, die sich vor allem über das Internet verbreiteten und die von vielen Internetnutzern unhinterfragt für bare Münze genommen und weiterverbreitet würden. Dies führe zu einer Impfskepsis, die inzwischen weite Kreise ziehe.

Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis sagte, dass es ihm das Herz breche, dass weniger Menschen Impfungen vertrauten. Es sei absolut inakzeptabel, dass heutzutage Kinder in Europa an Masern sterben. Zumindest Letzterem kann wohl jeder zustimmen – ob Impfgegner oder nicht.

Quellen:

Weltgesundheitsorganisation

Greenstories.de

impfen.de

Robert Koch Institut

naturheilmagazin.de

apotheken.de

Zeit Online

ÄrzteZeitung

Impfkritik.de

kindaktuell.at

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