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Chronisch venöse Insuffizienz und offenes Bein


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Chronisch venöse Insuffizienz (CVI, chronisch venöses Stauungssyndrom): Haut- und Bindegewebsveränderungen an den Beinen, vor allem den Unterschenkeln, als Folge einer anhaltenden Blutstauung bei Störung des venösen Blutrückflusses, am häufigsten wegen Funktionsverlustes von Venenklappen im tiefen Venensystem.

Die chronisch venöse Insuffizienz ist entweder Spätfolge einer tiefen Beinvenenthrombose und wird dann auch postthrombotisches Syndrom (PTS) genannt, oder sie beruht auf einer anlagebedingten Krampfaderbildung, primäre Varikose. In seltenen Fällen sind Kurzschlussverbindungen zwischen Venen und Arterien, AV-Fisteln, Ausgangspunkt einer chronisch venösen Insuffizienz.

Betroffen sind vor allem ältere Menschen. Die chronisch venöse Insuffizienz führt selten zu akuten Komplikationen, bedingt aber oft lange und ausführliche Pflege des betroffenen Beins.

Leitbeschwerden

  • Besenreiser an den Fußrändern und oberhalb der Fußknöchel in Verbindung mit abendlichen Knöchelödemen
  • Dumpfe Schmerzen und unerträgliches Spannungsgefühl im Bein, vor allem nach längerem Stehen
  • Im unteren Unterschenkel rotbraune Flecken und weißliche Hautverfärbungen
  • Oft gerötete, nässende, schuppende Haut am gestauten Unterschenkel, verbunden mit brennendem Juckreiz
  • Extreme Verletzungsanfälligkeit: Selbst kleinste Wunden heilen über viele Tage nicht zu oder entwickeln sich zum chronischen Geschwür
  • In fortgeschrittenen Stadien: Haut nicht mehr in Falten abhebbar, umfasst oft gamaschenartig das gesamte untere Unterschenkeldrittel und wird derb, hart und fest.

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen, wenn sich die genannten Beschwerden verschlimmern oder neu auftreten.

Am nächsten Tag, wenn sich am Unterschenkel eine offene Hautstelle bildet.

Die Erkrankung

Eine dauerhaft mangelhafte Entstauung der Beine führt zur Erhöhung des Venendrucks und damit zum Austritt von Flüssigkeit und Blutbestandteilen in das Bindegewebe. Dadurch kommt es dort über Monate und Jahre zu chronischen Entzündungen, die eine Verdickung und Verhärtung der Haut, des Unterhautzellgewebes bis hin zur darunter liegenden Bindegewebshülle (Muskelbinde) zur Folge haben.

Diese Veränderungen behindern den Stoffwechsel zwischen Haut und arterieller Blutversorgung. Entzündliche Vorgänge an der Muskelbinde führen zur bindegewebigen Einschnürung der Muskeln in ihrer Muskelhaut, so dass die darin verlaufenden Arterien abgedrückt werden und die arterielle Blutversorgung weiter behindern. Die Haut nimmt zunehmend Schaden. Sie wird empfindlicher, durchlässiger für schädigende Substanzen und anfälliger für die Entwicklung von allergischen und infektiösen Reaktionen. Die Haut wird derb und verletzungsempfindlich, entwickelt Ekzeme und schließlich offene Stellen, die der Mediziner Ulcus cruris oder ulcus venosum (offenes Bein) nennt. Sie heilen ohne fachkundige und wochenlange geduldige Pflege nicht mehr ab.

Ein offenes Bein entwickelt sich bevorzugt über Perforansvenen mit undichten Venenklappen und über Krampfadern im unteren Unterschenkeldrittel (meist am Innenknöchel). Der Wundschmerz in dieser Region wird durch die Fußbewegungen noch verstärkt. Dies führt dazu, dass das obere Sprunggelenk geschont wird und so mit der Zeit versteifen kann. Die Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk vermindert die Wirksamkeit der Muskelvenenpumpe und verstärkt somit die chronisch venöse Insuffizienz.

Der Arzt unterscheidet drei Schweregrade der chronisch venösen Insuffizienz (CVI):

  • CVI Grad I: Kleine erweiterte Venen an den Fußrändern, verbunden mit abendlichen Knöchelödemen
  • CVI Grad II: Zunehmende ödematöse Unterschenkelschwellungen mit fortschreitenden Hautschäden und vermehrtem Juckreiz
  • CVI Grad III: Ausbildung eines offenen Beins.

Das macht der Arzt

Die chronisch venöse Insuffizienz wird meist schon per Blickdiagnose erkannt – vor allem dann, wenn gleichzeitig Krampfadern vorliegen oder der Patient bereits eine tiefe Beinvenenthrombose hatte. Die Funktion der Venenklappen und die Durchgängigkeit der tiefen Beinvenen werden durch die Doppler- und die Duplexsonografie geprüft. Diese Ultraschalluntersuchungen haben die früher notwendige Phlebografie weitgehend abgelöst.

Zur Behandlung der chronisch venösen Insuffizienz müssen der venöse Blutstau im Bein beendet und die Drainage so weit wie möglich verbessert werden. Sind ausschließlich Aussackungen und funktionslose Klappen des oberflächlichen Venensystems und der Perforansvenen Ursache der Erkrankung, so ist durch konsequentes Tragen von Kompressionsstrümpfen oder durch eine Operation der Krampfadern eine vollständige Normalisierung des venösen Blutflusses zum Herzen möglich.

Kompressionsbehandlung. Liegt der chronisch venösen Insuffizienz ein postthrombotisches Syndrom mit Zerstörung von Venenklappen der tiefen Beinvenen zugrunde, so trägt die Operation oberflächlicher Krampfadern nicht wesentlich zur Entstauung des Beins bei. Hier bleibt nur die lebenslange Kompressionsbehandlung, um bleibende Hautschäden zu verhindern. Der durch Kompression erreichte höhere Gewebedruck fördert die Aufnahme der Gewebsflüssigkeit in die Venen und drückt die erweiterten tiefen Beinvenen so zusammen, dass auch ihre Venenklappen teilweise wieder funktionstüchtig schließen. Die Wirkung einer Kompressionsbehandlung wird stark verbessert, wenn die Muskelvenenpumpe aktiviert wird. Daher ist die gleichzeitige tägliche Bewegung wichtig, bei der vor allem die maximale Beweglichkeit im Sprunggelenk ausgeschöpft werden muss.

Als Zusatztherapie zum Kompressionsverband gibt es die Möglichkeit einer pneumatischen Kompressionstherapie (intermittierende apparative Kompression), bei der am liegenden Patienten durch abwechselnd aufgepumpte Luftkammern die Muskelpumpe der Beine nachgeahmt und damit der venöse Abfluss verbessert wird. Eine solche maschinelle Kompression, die im Rahmen eines Verbandswechsels mehrmals pro Woche zusätzlich angewendet werden kann, trägt zur schnelleren Heilung bei. Auch regelmäßige Lymphdrainagemassagen durch Physiotherapeuten fördern die Entstauung des Beins.

Operationen und andere Behandlungsmethoden. Zur lokalen Ulkustherapie hat sich die feuchte Wundbehandlung bewährt, z. B. mit Hydrokolloid- oder Polyurethanverbänden. Sie müssen nicht täglich gewechselt werden und beschleunigen den Wundheilungsverlauf verglichen zur trockenen Wundauflage beträchtlich. Leider handelt es sich um eine sehr teure Therapieform, die deshalb gern von niedergelassenen Ärzten aus Budgetgründen gescheut wird. Oft bringt aber auch erst die Verödung oder die operative Entfernung von Krampfadern bzw. die Unterbindung der Perforansvenen zum tiefen Venensystem im Ulkusbereich die erwünschte Heilung.

Bei ausgedehnten Beingeschwüren ohne erkennbare Heilungstendenz gibt es zwei weitere chirurgische Eingriffsmöglichkeiten. Bei der Shave-Therapie wird das Ulkus operativ abgetragen und die Wunde wird anschließend mit einem Hauttransplantat vom eigenen Oberschenkel verschlossen. Bei der Faszienchirurgie werden zusätzlich noch die verdickten Anteile der Muskelbinde, die die Beinmuskulatur und ihre Arterien einschnüren, gespalten oder entfernt. Dadurch wird Druck von den Muskelfasern und den Arterien genommen, eine Zunahme der Durchblutung des Wundgebiets wird erreicht, und die Erfolge der feuchten Wundbehandlung und des Anwachsens von Hauttransplantaten sind größer.

Wenn ein offenes Bein mit erheblichen Schmerzen einhergeht, ist eine abgestufte Schmerztherapie zur Verbesserung der Lebensqualität wichtig. Sie soll aber auch die Bewegung im betroffenen Bein und damit die Heilung fördern. Es wird mit entzündungshemmenden Schmerzmitteln, z. B. Ibuprofen oder anderen NSAR begonnen und diese bei Bedarf mit Opioiden und gegebenenfalls auch mit Antidepressiva ergänzt. Einer ergänzenden Therapie mit gerinnungshemmenden Medikamenten sowie der Einnahme von Zinksulfat bei Zinkmangel und Vitamin C wurden ebenfalls günstige Einflüsse auf den Wundheilungsverlauf zugesprochen.

Auch lange bestehende offene Beine sind unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten heilbar. Ohne das lebenslange Tragen eines Kompressionsstrumpfes Klasse II lässt sich allerdings das erneute Aufbrechen des Ulkus nicht verhindern.

Selbsthilfe

Beim Leben mit chronisch venöser Insuffizienz hilft geduldige Selbstbeobachtung und die Bereitschaft, konsequent Situationen zu meiden, die zu geschwollenen Beinen und entsprechenden Schmerzen führen.

Kompressionstherapie. Auch wenn Stützstrümpfe nicht gut für die Eitelkeit sind, im Winter tolerieren sie fast alle Menschen (auch die Männer) und im Sommer sollten sie zumindest bei längerem Stehen nicht fehlen. Quälen sie an heißen Sommertagen, kann man sie zwischendurch nass machen – das kühlt nachhaltig für Stunden und ist in jedem Fall besser, als sie auszuziehen. Auf Maß angefertigte Kompressionstrümpfe der Kompressionsklassen II und III verbessern die Drainage der Beine gegenüber Stützstrümpfen (Klasse I wird nicht von den Krankenkassen übernommen) erheblich, auch wenn das An- und Ausziehen mühsam ist. Das Anziehen geht einfacher, wenn Sie den Kompressionsstrumpf noch vor dem Aufstehen anlegen, also wenn das Bein noch schlanker ist. Auch das Anpassen der Strümpfe sollte möglichst am Vormittag erfolgen. Neue Schuhe hingegen probieren Sie besser am Abend an, wenn die Füße schon etwas geschwollen sind.

Ein Kompressionsstrumpf bleibt bei täglichem Tragen 6 Monate voll funktionsfähig, dann lässt die Wirkung nach. In der Regel zahlen Krankenkassen zwei Paar Kompressionsstrümpfe pro Jahr (mit geringer Zuzahlung), die Anfertigung nach Maß ist kostenlos. Gegen einen Aufpreis kann der Träger sein Paar Strümpfe in der Wunschfarbe einfärben lassen.

Alltag und Beruf. An welchen Tagen werden die Beine bzw. das Bein besonders dick? Sind es heiße Tage? Oder dann, wenn die Sonne direkt auf die Beine scheint? Oder sind es bestimmte Situationen, z. B. beim Einkaufen?

Schlecht sind stehende Berufstätigkeiten wie der Verkauf im Einzelhandel. In diesem Fall sollte rechtzeitig ein Berufswechsel erwogen werden. Benutzen Sie bei längerem Sitzen in der Freizeit einen Sitzball (z. B. Pezziball®) statt eines Stuhls.

Schlafen. Viele Menschen mit chronischen Venenproblemen haben auch Schlafprobleme. Sie wachen irgendwann in der Nacht mit heißen oder schmerzenden Waden oder Füßen auf. Auch hier bringt Kühlung oft mehr Erleichterung als Salben. Entweder die Beine nachts einfach unbedeckt lassen oder, wenn das nicht reicht, die Beine auf ein feuchtes Handtuch legen. Stellen Sie das Fußende ihres Bettes etwas hoch, das entlastet die Beine.

Bewegung. Gut ist bewusstes Gehen von täglich einer halben Stunde in bequemem Schuhwerk, dies gilt auch für Patienten mit offenem Bein. Die Kompressionstherapie erfolgt mit Kompressionsbinden oder speziellen Ulkus-Strumpfsystemen, mit denen der erhöhte Venendruck vom Ulkus weggenommen wird. Bei gut trainierter Beinmuskulatur mit optimaler Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk trägt die Muskelvenenpumpe viel zur Heilung bei. Haben lang anhaltende Wundschmerzen bereits zu einer Einschränkung der Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk geführt, ist es daher wichtig, mit krankengymnastischer Unterstützung die optimale Beweglichkeit wieder zu verbessern.

Kleine Hautverletzungen. Auch bei größter Behutsamkeit beim An- und Ausziehen von Strumpf- und Schuhwerk und beim Spazierengehen lassen sich kleinste Kratzverletzungen oder Hautschürfungen nicht vermeiden. In fortgeschrittenen Fällen erfordern selbst kleinste Verletzungen wochenlange Pflegeaktionen, z. B. mit antiseptischen Jodsalben. Moderne Hydrokolloid-Verbände erleichtern nicht nur die Pflege, sondern beschleunigen auch das Zuheilen. Der geringe Mehrpreis kann sich lohnen. Im Zweifelsfall lieber den Hausarzt aufsuchen und um Rat bitten.

Komplementärmedizin

Pflanzenheilkunde. Eine Reihe von Studien belegen, dass Rosskastaniensamenextrakt zur Behandlung von chronischer Veneninsuffizienz effektiv ist, vor allem wenn die Anwendung über mehrere Monate erfolgt. Verfügbar sind standardisierte Fertigpräparate zur Einnahme (z. B. Aescorinforte® Kapseln, Aescusan® Filmtabletten, Perivar® Rosskastanien Retardtabletten) sowie zur äußerlichen Anwendung (z. B. Venostasin N®-Salbe für einen Salbenverband). Für Patienten, die Rosskastaniensamen nicht vertragen, sind eventuell Fertigarzneien auf der Basis von Mäusedornwurzel (z. B. Phlebodril mono® Kapseln) eine Alternative.

Auch Buchweizen- oder Steinkleekraut wird ein therapeutischer Effekt bei chronischer Veneninsuffizienz zugeschrieben. Wegen der geringeren Wirkstoffkonzentration sind Teezubereitungen mit diesen Heilpflanzen jedoch weniger wirksam.

Zur Behandlung von kleineren lokalen Gewebedefekten stehen ebenfalls einige Phytopharmaka zur Verfügung, z. B. Kamillenblütenextrakt (z. B. Kamillosan® Konzentrat Lösung für Umschläge) und/oder Fertigarzneien aus Hamamelis (z. B. Hametum®-Creme) oder Ringelblumenblüten (z. B. Calendumed®-Creme). Bei nässenden Ekzemen können Umschläge mit Eichenrindenextrakt (z. B. Eichenrinden-Extrakt®) versucht werden.

Homöopathie. Die Homöopathie empfiehlt zur Linderung der Beschwerden eine individuell abgestimmte Konstitutionsbehandlung. Homöopathische Mittel mit Bezug zur chronisch venösen Insuffizienz sind z. B. Carbo vegetabilis oder Sulfur.

Weiterführende Informationen

  • www.phlebology.de – Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie e. V. (DGP, Freiburg): Leitlinien zur Diagnostik und Therapie des offenen Beins (Ulcus cruris) und des Krampfaderleidens.


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