Die Interessen von Menschen können nicht identisch sein – selbst Eltern und Kinder verfolgen oft unterschiedliche Ziele, und Ehepartner haben immer auch eine eigene Tagesordnung – eine Tagesordnung, die sich zudem in jeder Lebensphase ändert. Sich Konflikten stellen zu können ist somit eine der wichtigsten sozialen Fähigkeiten. Das gilt auch im Beruf – gelungene Kooperation und Teamfähigkeit entsteht nicht dadurch, dass man die Pläne der anderen stets befürwortet und immer das tut, was von einem erwartet wird. Teamfähigkeit heißt, sich in der Gruppe für eine solche Lösung einzusetzen, die auch die eigenen Interessen berücksichtigt.
Konfliktforscher gehen davon aus, dass an der Wurzel der meisten Konflikte reale, für Außenstehende leicht nachvollziehbare Interessensgegensätze stehen. Was den Interessensausgleich dann oft erschwert oder unmöglich macht, sind die Kränkungen, die sich aus dem Konflikt oder bei der Konfliktbearbeitung ergeben. Zur Konfliktfähigkeit gehören deshalb mehrere Elemente:
- Ein realistischer eigener Standpunkt. Was erwarte ich von meinem Partner? Sind die Erwartungen realistisch (oft wird vergessen, bei der Betrachtung anderer die „rosa Brille“ von der Nase zu nehmen)? Welche Lösung stelle ich mir vor? Was kann ich dazu beitragen und was nicht? Wo fühle ich mich in meinen Interessen oder in meiner Persönlichkeit verletzt?
- Kenntnis der Gegenperspektive. Konflikte haben eines an sich: Die eigene Perspektive erscheint immer sinnvoll. Und daraus wird nur allzu schnell abgeleitet, dass man selbst im Recht ist – das allerdings sieht auch die Gegenseite so. Und rein logisch ist die Gleichung „Überzeugung = Recht“ schon gar nicht haltbar. Nach dem Rat von Konflikttrainern sollte deshalb in jedem Konflikt die eigene Perspektive für den anderen transparent gemacht werden.
- Dabei hilft geregelte Kommunikation: Nur wer sich austauscht – ob verbal oder emotional – kann verstehen, wo der andere steht und seine eigene Position kenntlich machen. Konflikttrainer setzen deshalb auf „verordnete“ und klar geregelte Kommunikation, bei der die Konfliktpartner z. B. verpflichtet werden, der Gegenseite kommentarlos zuzuhören. Bei beruflichen Konflikten werden auch bewusst „Perspektivenwechsel“, etwa durch Rollenspiele, gefördert.
- Nicht selten scheitert Kommunikation an den emotionalen Bewertungen: Kränkungen, Verletzungen des Ehrgefühls, Ängste oder Eifersucht stehen einem „rationalen“ Interessensausgleich im Weg. Denn wer gekränkt ist, kommuniziert nicht effektiv, sondern „teilt aus“ – oft auch gegen sich selbst und oft genug im Widerspruch zu den eigenen Interessen. Diese emotionale Spirale zu durchbrechen ist die schwerste aller Aufgaben, und sie kann oft nur durch Hilfe (etwa einen Konfliktmediator, einen Familientherapeuten oder einen guten Freund) und Selbsterfahrungen bewältigt werden.
Nur mit einem realistischen eigenen Standpunkt, effektiver Kommunikation und einer gezügelten emotionalen Bewertung kann der letzte Schritt gelingen: Die Lösung des Konflikts. Lösung kann heißen, einen Kompromiss zu finden, eine Plattform, auf der die Konfliktpartner ihre Interessen möglichst schmerzlos ausgleichen. Zur Lösung gehört auch, dass eine Kränkung langfristig heilen kann – durch neue positive Erfahrungen, durch verstreichende Zeit oder durch die Erfahrung, dass der gefundene Kompromiss funktioniert.
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