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Thiamin


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Synonyme: Vitamin B1, früher Aneurin

Das wasserlösliche Vitamin B1, auch Thiamin genannt, kann der Körper in dieser Form nicht verwenden, sodass er es zunächst mithilfe eines speziellen Enzyms in Thiaminpyrophosphat (TPP) umwandelt. In dieser biologisch aktiven Form fungiert Thiamin als lebenswichtiges Coenzym bei der Verstoffwechslung von Nährstoffen, insbesondere von Kohlenhydraten, in Energie. Das Vitamin befindet sich in den Zellwänden der Nervenstränge und ist an der Weiterleitung von Nervenimpulsen an das Gehirn und die peripheren Nervenzellen beteiligt. Darüber hinaus verwendet der Körper Thiamin für die Synthese von Neurotransmittern wie Acetylcholin. Auch für den Erhalt von Nervengewebe, den Herzmuskel sowie für das Körperwachstum ist es von entscheidender Bedeutung. Darüber hinaus spielt Thiamin bei der Synthese von Kollagen, dem hauptsächlichen Aufbauprotein des Körpers, eine wichtige Rolle. Der menschliche Organismus kann nur geringe Mengen an Thiamin speicher, etwa 30 mg. Eine tägliche Zufuhr ist deshalb wichtig, um einen Mangel zu vermeiden.

Vorkommen von Thiamin in der Nahrung

Zu den pflanzlichen Hauptlieferanten von Thiamin gehören Getreide und Vollkornprodukte, Nüsse, Hülsenfrüchte, Hefe und Linsen. Innereien und mageres Schweinefleisch enthalten ebenfalls viel Thiamin. In Obst und Gemüse sowie Milchprodukten hingegen sind nur geringe Konzentrationen vorhanden:

  • Weizenkeimlinge: 2,0 Milligramm/100 Gramm
  • Sonnenblumenkerne: 1,9 Milligramm/100 Gramm
  • Schweinefilet: 1,1 Milligramm/100 Gramm
  • unpolierter Reis: 0,41 Milligramm/100 Gramm
  • Haselnuss: 0,4 Milligramm/100 Gramm
  • Scholle: 0,21 Milligramm/100 Gramm
  • Artischocken: 0,14 Milligramm/100 Gramm

Thiamin reagiert sehr empfindlich auf Hitze, Sauerstoff und UV-Strahlen. Lebensmittel, die reich an Thiamin sind, sollten deswegen schonend zubereitet und wenig gewässert werden. Auch Sulfite, die zum Konservieren von Lebensmitteln dienen oder Natron zum Backen zerstören das Vitamin. Das Einfrieren von Thiamin-reichen Nahrungsmitteln hingegen führt zu keinem Verlust des Vitamins.

Bedarf an Thiamin

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt je nach Alter und Geschlecht folgende Richtwerte für die tägliche Thiamin-Zufuhr:

  • Säuglinge (0–12 Monate): 0,2–0,4 Milligramm/Tag
  • Kinder und Jugendliche (1–19 Jahre): 0,6–1,4 Milligramm/Tag
  • Erwachsene ab 19 Jahren: 1,0–1,3 Milligramm/Tag
  • Schwangere: 1,2–1,3 Milligramm/Tag
  • Stillende: 1,3 Milligramm/Tag

Anzeichen von Thiamin-Mangel

Ein chronischer Mangel an Thiamin wirkt sich auf das Gehirn aus und äußert sich durch Verwirrung, Lern- und Gedächtnisstörungen oder häufige Kopfschmerzen. In Form von Reizbarkeit und Depressionen wirkt sich der Mangel auch auf die Psyche aus. Herzbeschwerden wie Herzklopfen und -versagen, niedriger Blutdruck und Kurzatmigkeit sind weitere Anzeichen eines Thiamin-Defizits. Auch das Nervensystem wird in seiner Funktionsfähigkeit gehemmt, was sich beispielsweis durch verschlechterte Reflexe und Bewegungsfähigkeit in Armen und Beinen bemerkbar macht. Ein allgemeiner Schwächezustand, besonders in der Wadenmuskulatur sowie ein geschwächtes Immunsystem können aus einem Mangelzustand resultieren. Leiden stillende Mütter an einem Thiamin-Mangel, können ihre Säuglinge schnell lebensbedrohliche Mangelanzeichen entwickeln.

Ursachen von Thiamin-Mangel:

  • Wer regelmäßig viel Kaffee oder Tee zu sich nimmt, läuft Gefahr, einen Mangel zu entwickeln, da beides Thiamin deaktiviert und die Speicher leert.
  • Essstörungen, chronische Darmerkrankungen wie Morbus Crohn ode Zöliakie können einen Mangel an Thiamin verursachen.
  • Ein hoher Alkoholkonsum mindert die Aufnahme von Thiamin und hindert die Umwandlung des Vitamins in seine aktive Form und trägt zu einer erhöhten Ausscheidung über die Nieren bei.
  • Ein Mangel an Folsäure beeinträchtigt die Aufnahme des Vitamins.
  • Intensive körperliche Betätigung oder Stress verbrauchen viel Thiamin und können den täglichen Bedarf erhöhen. Dies gilt ebenfalls bei Verbrennungen, Fieber, Schilddrüsenüberfunktion oder Lebererkrankungen. Stillende Mütter oder noch im Wachstum befindliche Kinder benötigen ebenfalls mehr Thiamin.
  • Die Einnahme oraler Kontrazeptiva erhöht den Bedarf an Thiamin. Neuroleptika hemmen die Aufnahme und führen zu einer erhöhten Ausscheidung des Vitamins. Die Interaktion von Muskelrelaxantien mit dem Vitamin kann die Wirkung dieser Medikamente verstärken.

Thiamin als Nahrungsergänzungsmittel

Thiamin-haltige Nahrungsergänzungsmittel eignen sich für alle Menschen, die Anzeichen eines nachgewiesenen Thiamin-Mangels aufweisen oder allgemein ihre Immunabwehr verbessern möchten. Insbesondere betagte Menschen, Schwangere und Stillende sowie Personen mit erhöhtem Alkoholkonsum können von einer erhöhten Thiamin-Zufuhr profitieren. Auch eine erhöhte Stoffwechselaktivität, Absorptionsstörungen und eine erhöhte Flüssigkeitsaufnahme können für eine ergänzende Aufnahme des Vitamins sprechen. Menschen, die die oben beschriebenen Medikamente einnehmen, sollten bei Verdacht auf einen Thiamin-Mangel mit ihrem Arzt sprechen und von einer eigenständigen Anwendung von Nahrungsmittelergänzungen absehen. Wer bei einer Multimedikation Zweifel hinsichtlich einer Interaktion hegt, lässt sich vorsichtshalber von seinem Arzt oder Apotheker beraten. Diese informieren auch über Dosierung und Dauer der Einnahme des Nahrungsergänzungsmittels.

Überversorgung mit Thiamin

Durch die Ernährung sind Überdosierungen kaum möglich. Bezüglich einer Überdosierung mit Nahrungsergänzungsmitteln existieren unterschiedliche Angaben. Dr. Lothar Burgerstein, Herausgeber des „Handbuchs Nährstoffe“ gibt an, dass Mengen von über 200 mg bei einigen Personen zu Schwindel führen kann. Wurde Thiamin intravenös verabreicht, kam es in wenigen Fällen zu schweren allergischen Reaktionen.

Quellen:

Lothar Burgerstein: Handbuch Nährstoffe. Vorbeugen und heilen durch ausgewogene Ernährung: Alles über Spurenelemente, Vitamine und Mineralstoffe. 10. Aufl. Stuttgart: Haug 2010. S. 91-94.

Paul Mohr: Gesund durch Nahrungsmittel. So wirkt orthomolekulare Medizin. 3. Aufl. Zürich: Oesch Verlag, S. 189-191.


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