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Nesselsucht


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Nesselsucht (Nesselfieber, Quaddelsucht, Urtikaria): Hauterkrankung mit vorübergehenden Quaddeln am ganzen Körper bzw. Schwellungen an Gesicht, Lippen und Schleimhäuten. Etwa 20–30 % der Bevölkerung leiden mindestens ein Mal im Leben an Nesselsucht, Kinder viel häufiger als Erwachsene. Binnen Minuten entstehen Quaddeln und Schwellungen, die sich nach Stunden bis Tagen auch ohne Behandlung wieder zurückbilden (akute Nesselsucht). Typischerweise kratzen sich die Betroffenen nicht, sondern versuchen die Beschwerden durch Reiben zu lindern. In 90 % der Fälle bleibt die Krankheit auf ein einmaliges, nur wenige Stunden anhaltendes Ereignis beschränkt. Wenn sie immer wieder auftritt oder über einen längeren Zeitraum anhält (ab 6 Wochen), spricht man von chronischer Nesselsucht.

Leitbeschwerden

  • Binnen Minuten auftretende, weißliche bis hellrote, beetartige Erhebungen der Haut mit geröteter Umgebung
  • Starker Juckreiz (ähnlich wie nach Brennnesselkontakt), eventuell mit Brennen oder Schmerzen
  • Hautausschlag klingt binnen Stunden von selbst wieder ab
  • Manchmal zusätzlich Magen-Darm-Beschwerden (insbesondere Durchfall), Atemnot, Kopf- und/oder Gelenkschmerzen.

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen, wenn die Hautveränderungen häufiger auftreten und/oder über Tage bestehen bleiben.

Sofort den Notarzt rufen, wenn

  • Atemnot und/oder Kreislaufprobleme auftreten
  • Gesicht oder andere Körperregionen extreme Schwellungen entwickeln.

Die Erkrankung

Der Hautausschlag bei Nesselsucht ähnelt der Reaktion nach einem Brennnesselkontakt, woher sich auch der medizinische Name Urtikaria (lateinisch für Brennnessel) ableitet. Die Beschwerden werden fast immer durch eine örtliche Freisetzung des Botenstoffs Histamin ausgelöst, der sowohl zu Quaddeln als auch zu Juckreiz führt.

Es gibt viele verschiedene Ursachen einer Nesselsucht. Die Hauptauslöser sind Medikamente und Nahrungsmittel (z. B. penicillinhaltige Antibiotika und Acetylsalicylsäure, z. B. in Aspirin®, sowie Geschmacks-, Konservierungs- und Farbstoffe in Lebensmitteln). Auch Inhaltsstoffe von Nüssen oder Soja, histaminhaltige Nahrungsmittel (z. B. Käse, Rotwein, Perlwein) oder spezielle Eiweiße, etwa in Milch, Fisch, Muscheln und Krustentieren kommen als Auslöser in Betracht. Ein direkter Hautkontakt mit Brennnesseln, Quallen oder Schalen von Zitrusfrüchten (ameisensäurehaltige Substanzen) kann eine Nesselsucht ebenso auslösen wie ein starker physikalischer Reiz, z. B. Druck auf die Haut, Sonnenlicht, starke Kälte oder extreme Temperaturschwankungen. Außerdem tritt Nesselsucht als Begleiterscheinung verschiedener Erkrankungen auf, etwa bei Lupus erythematodes, Hepatitis, eitrigen Infektionen oder Erkältungskrankheiten bei Kindern. In manchen Fällen führt sogar extreme körperliche Anstrengung oder emotionale Erregung zur Bildung von kleinen linsengroßen Quaddeln.

Die Nesselsucht ist durch den Juckreiz zwar quälend, aber in aller Regel harmlos. Eine gefährliche Sonderform ist das Quincke-Ödem (Angioödem), bei dem nicht nur die oberen Hautschichten, sondern auch die Unterhaut betroffen ist. In der Folge schwellen die Augenlider, Lippen oder Genitalien heftig an. Sind die Atemwege – v. a. der Kehlkopf – betroffen, droht eine lebensbedrohliche Atemnot.

Starke Schwellungen, die leicht mit allergischen Reaktionen, z. B. auf Insektenstiche, verwechselt werden, sind auch ein Hinweis auf die seltene Erbkrankheit HAE (Hereditäres Angioödem). Meist sind Gesicht, Hals, Arme, Beine, Magen-Darm-Trakt, Geschlechtsorgane und Gesäß betroffen. Auslöser ist ein erblich bedingter Mangel oder eine Minderfunktion des C1-Esterase-Inhibitors. Dadurch wird vermehrt das Gewebshormon Bradykinin freigesetzt. In der Folge werden die Gefäßwände durchlässiger. Es kommt zu Schwellungen, die bei Autreten im Luftröhrenbereich tödlich sein können (Larynxödeme).

Das macht der Arzt

Die Nesselsucht ist anhand der typischen Hautveränderungen zu erkennen. Tritt sie wiederholt auf oder bleibt sie über längere Zeit bestehen, wird nach möglichen Auslösern gesucht. Neben Allergietests können auch Kälte-, Wärme- und Drucktests, ein Differenzialblutbild, Messungen von Immunglobulinen sowie Stuhl- und Urinuntersuchungen Hinweise auf die allergieauslösenden Faktoren liefern. Werden Nahrungsmittel oder -zusatzstoffe als Auslöser vermutet, helfen spezielle Suchdiäten und orale Provokationstests. Bei mehr als der Hälfte aller Patienten mit chronischer Nesselsucht findet sich allerdings kein Auslöser.

Zur Therapie der chronischen Nesselsucht werden Antihistaminika eingesetzt, die das Histamin und damit die Quaddelbildung und den Juckreiz unterdrücken. Bei schweren Formen und bei einem Angioödem mit extremer Schleimhautschwellung im Bereich der Atemwege spritzt der Arzt zusätzlich hoch dosiertes Kortison. Reicht dies nicht aus, kann eine künstliche Beatmung bzw. ein Luftröhrenschnitt als Notfallmaßnahme notwendig werden.

Sollten sich die Symptome der Nesselsucht unter der Basistherapie nicht bessern, hilft aktuellen Daten zufolge das Medikament Omalizumab®. Hierbei handelt es um einen so genannten humanisierten monoklonalen Antikörper, der für die Therapie von allergischem Asthma zugelassen ist.

Selbstbehandlung

Leichte Formen der Nesselsucht sind binnen weniger Stunden auch ohne Therapie rückläufig. Gegen den starken Juckreiz helfen kühlende Umschläge, Kältepackungen (Coolpacks®) oder kalte Duschen. Eine gute Wirkung zeigen auch antihistaminikahaltige Salben, Gele (z. B. Fenistil® Gel) und Tabletten (z. B. Loraderm®) sowie Lotionen mit schmerzbetäubenden Wirkstoffen (z. B. Anaesthesulf®-Lotio).

Komplementärmedizin

Bei akuten Schüben von Nesselsucht sind naturheilkundliche Therapien nicht indiziert, da die Gefahr eines anaphylaktischen (allergischen) Schocks besteht. Die Ursachen müssen medizinisch abgeklärt werden. Da bei chronischen Formen jedoch häufig zunächst keine eindeutige Ursache für die Hautreaktion gefunden wird, ist hier der Einsatz komplementärmedizinischer Methoden sinnvoll, die Neigung zur Quaddelbildung lässt mitunter nach. Bei der chronischen Nesselsucht können u. a. Ernährungsumstellung (Allergietest!), Akupunktur, juckreizlindernde Kompressen, Bäder, Pflanzenheilkunde sowie die Klimatherapie helfen.

Hydrotherapie . Neben Kneippschen Güssen (Wechselbädern) sind auch Bäder mit Kamillenzusatz, Schachtelhalm oder Kleie günstig. Auch schwefel- und ölhaltige Bäder sowie Bäder in Salzwasser (1 EL auf 1 l Wasser) können helfen. Den Juckreiz lindern feucht-kalte Kompressen mit 1%igem Mentholspiritus.

Klimatherapie. Bei knapp der Hälfte der Betroffenen stellt sich eine Besserung der Symptome nach einem Kuraufenthalt an der Ostseeküste oder in hochalpinen Regionen ein.

Akupunktur. Mithilfe der Akupunktur lässt sich bei chronischer Nesselsucht in manchen Fällen die Medikamentengabe reduzieren.

Pflanzenheilkunde. Aus den Heilpflanzen Hamamelis, Eichenrinde, Kamille, Zistrose, Ringelblume oder schwarzem Tee (ohne Aroma) lassen sich Aufgüsse für Kompressen zubereiten, die etwa 20 Minuten lang aufgelegt werden. Bei Nesselsucht, die durch Kälte, Nässe oder Druck entsteht, hat sich sowohl innerlich als auch äußerlich der Bittersüßstängel (Cefabene®, als Salbe, Tropfen oder Tabletten erhältlich) bewährt, er wird aufgrund seiner entzündungshemmenden, antiallergischen Eigenschaften auch als pflanzliches Kortison bezeichnet.

Homöopathie. Die Homöopathie empfiehlt bei starkem Brennschmerz und Verschlechterung durch Wärme Urtica urens oder Apis mellifica, bei Quaddelbildung aufgrund intensiver Sonneneinstrahlung oder Klimawechsel Natrium chloratum.

Lichttherapie. Vereinzelt wird von Erfolgen nach Bestrahlungen mit der Höhensonne sowie UVA1-Therapien berichtet. Hitze wie auch Sonneneinstrahlung können die Nesselsucht aber auch auslösen.

Weiterführende Informationen

  • www.urtikaria.net – Internetseite des urticaria network e. V., Berlin: Forum, Selbsthilfetipps, Selbsttests und weitere Infos rund um die Nesselsucht.
  • www.leitlinien.net – Stichwortsuche Urtikaria: Ärztliche Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Nesselsucht.


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